War for Talents: Ist „Quiet Hiring“ die HR-Lösung im Kampf um Mitarbeiter?
Es gibt immer weniger Fachkräfte für immer mehr anspruchsvolle Positionen – und damit wird auch der Konkurrenzkampf um diese schärfer. Der beste Zeitpunkt, sich für den sogenannten „War for Talents“ zu wappnen, war vielleicht schon vor Jahrzehnten. Der zweitbeste Zeitpunkt ist jetzt. Kann Quiet Hiring dabei helfen?
Steven Hankin und das Unternehmen McKinsey haben den Begriff War for Talent bereits Ende der 90er-Jahre geprägt. Dennoch ist er heute aktueller denn je. Der War for Talents, der Konkurrenzkampf zwischen Unternehmen um die besten Talente, ist dank Fach- und Arbeitskräftemangel in vollem Gang. Auch Unternehmen im deutschen Mittelstand müssen sich angesichts des demografischen Wandels, der Digitalisierung und der Great Resignation ausrüsten. Es gibt immer weniger Fachkräfte für immer mehr und immer anspruchsvollere Jobs – und noch dazu eine hohe Kündigungsbereitschaft. Welche konkreten Maßnahmen können HR und Personalentscheider jetzt umsetzen, um den Unternehmenserfolg zu sichern? Könnte Quiet Hiring die Antwort auf Quiet Quitting sein? Klar ist: Wettbewerbsfähig bleibt nur, wer qualifizierte Arbeitnehmer für sich gewinnt und langfristig an sich bindet. Deswegen stehen ihre Wünsche im Vordergrund.
Im Artikel werden folgende Punkte betrachtet:
- Zu wenig Geld und keine Perspektive: Das sind Kündigungsgründe für Arbeitnehmer
- Abwechslung statt stillem Abgang: Quiet Hiring als Antwort auf Quiet Quitting?
- Kein Schema F beim Quiet Hiring – der einzelne Mitarbeiter zählt
- Wer kreativ rekrutiert und sorgfältig analysiert, hat den Vorsprung
- HR an der Front im War for Talents
- Häufig gestellte Fragen zum Thema War for Talents
Zu wenig Geld und keine Perspektive: Das sind Kündigungsgründe für Arbeitnehmer
Eine aktuelle Cornerstone Studie führt die drei häufigsten Kündigungsgründe von Mitarbeitern auf: Knapp die Hälfte der Befragten beklagt die fehlende finanzielle Wertschätzung im Gehalt, genauso viele waren unglücklich mit den Karrierechancen und fast 40 Prozent mit ihrer direkten Führungskraft. Die Pandemie hat außerdem dazu beigetragen, dass Angestellte sich nicht mehr ausreichend an ihren Arbeitgeber gebunden fühlen. Chronische Über- oder Unterforderung, mangelnde Wertschätzung und Unterstützung oder zu viel Stress führen dazu, dass Angestellte sich emotional immer mehr vom Unternehmen entfernen. Das kann auch schon zum Problem werden, ohne, dass die Kündigung schwarz auf weiß vorliegt: nämlich beim sogenannten Quiet Quitting, der „stillen Kündigung“. Dabei haben Mitarbeiter innerlich bereits mit ihrem Job abgeschlossen – sie erledigen ihre Aufgaben, aber ohne Leidenschaft oder hohe Einsatzbereitschaft für die Unternehmensziele. Können Personalentscheider hier mit Quiet Hiring entgegenwirken?
Abwechslung statt stillem Abgang: Quiet Hiring als Antwort auf Quiet Quitting?
Vor dem Hintergrund, dass so viele Arbeitnehmer aufgrund von fehlenden Karrierechancen ihr Unternehmen verlassen, kann das sogenannte “Quiet Hiring” eine vielversprechende Maßnahme sein. Der Begriff bezeichnet einen Positions- oder Aufgabenwechsel innerhalb des Betriebs: Personalverantwortliche besetzen ohne Bewerbungsprozess, sozusagen im Stillen, eine bisher unbesetzte Stelle mit einem bestehenden Mitarbeiter . Für das Unternehmen selbst liegt der Vorteil auf der Hand: Es kann Personalengpässe schließen, ohne dabei hohe Kosten und viel Zeit in eine neue Arbeitskraft und die Einarbeitung zu investieren. Aber auch der Mitarbeiter selbst erlebt dadurch Abwechslung und geht womöglich in den Aufgaben ganz neu auf – sodass sich unerwartete Aufstiegschancen für ihn auftun. Doch dieser Prozess will gut organisiert sein: Worauf kommt es aus Mitarbeiterperspektive an?
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Kein Schema F beim Quiet Hiring – der einzelne Mitarbeiter zählt
Quiet Hiring kann auch nach hinten losgehen und zu Frust beim Mitarbeiter führen. Aber wenn das der Fall ist, liegt es meist an der Umsetzung. Tatsächlich sehen mehr als 60 Prozent der Arbeitnehmer im Quiet Hiring eine Chance, neue Skills zu entwickeln. Jedoch beklagt die Hälfte derer, die schon einmal „still angestellt“ wurden, dass die neue Tätigkeit nicht auf sie und ihre individuellen Fähigkeiten abgestimmt war. A und O beim Quiet Hiring ist daher: die Abstimmung der Anforderungen mit den Fähigkeiten und Wünschen des Mitarbeiters und eine gute Kommunikation. Sollten die neuen Tätigkeiten über das bisherige Arbeitsmaß hinausgehen, ist es nötig, den Mitarbeiter von alten Aufgabenbereichen zu entbinden – oder gemeinsam eine neue Lösung für die Zeiteinteilung zu finden. HR-Fachkräfte wenden das Quiet Hiring am besten an, wenn es ihnen in erster Linie um die individuelle Weiterentwicklung und damit Zufriedenheit der Mitarbeiter geht und nicht um die unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteile.
Sie brauchen konkrete Antworten auf Fragen wie:
- Welche Lernmöglichkeiten bieten sich dem Arbeitnehmer in der neuen Position? Wie hilft sie ihm, zu wachsen?
- Welche Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer, wenn es Weiterbildungsbedarf gibt? Wie sehen seine Einarbeitung und langfristige Begleitung aus?
- Ist es angemessen, die Vergütung anzupassen, wenn sich der Verantwortungsbereich nicht nur verändert, sondern erweitert?
- Welche Karrierechancen ergeben sich dem Mitarbeiter für die Zukunft?
- Welche Aufgabenbereiche fallen aus der alten Tätigkeit weg bzw. wieviel Zeit soll dafür noch aufgewandt werden?
Den Angestellten interessieren seine Vorteile und natürlich die genauen Konditionen. Wer sich dazu detaillierte Gedanken macht und die Vereinbarung gemeinsam und idealerweise schriftlich festhält, ist auf der sicheren Seite.
Wer kreativ rekrutiert und sorgfältig analysiert, hat den Vorsprung
Neben dem Quiet Hiring können weitere Maßnahmen und Ideen im Kampf um die klügsten Köpfe unterstützen. Am Anfang steht eine reflektierte Analyse der eigenen Prozesse und Attraktivität: Sind der Führungsebene die individuellen Wünsche und Anforderungen der Belegschaft bewusst oder gibt es Gesprächsbedarf? Ein intensiver Blick ins Team kann zutage führen, wo es Verbesserungspotenzial gibt. Ebenso können Erfolge und auch Misserfolge im Bewerbungsverfahren Aufschluss geben: Was war für die Zusage einer Fachkraft ausschlaggebend? Sind auch bei Absagen durch die Bewerber deren Beweggründe bekannt?
Beim Rekrutieren neuer Mitarbeiter lohnt es sich, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und kreativ zu werden. Welche vergleichbaren Unternehmen haben interessante Employer Branding Strategien und können als Vorbild dienen? Und welche modernen Methoden finden bei der Suche nach neuen Mitarbeitern noch keine Verwendung – wie etwa Active Sourcing, also die gezielte Ansprache, zum Beispiel in Karrierenetzwerken? Ebenso lohnt es sich, die Bewerbung so unkompliziert wie möglich zu gestalten, zum Beispiel durch One-Click-Bewerbungen. Auch im Thema Diversität ist Kreativität gefragt, damit die eigenen potenziellen Vorurteile nicht im Weg stehen. Personalentscheider könnten dafür ausprobieren, den Bewerbungsprozess teilweise zu anonymisieren, damit Herkunft, Alter, Aussehen und Geschlecht definitiv keine Rolle bei der Auswahl spielen – auch nicht unterbewusst. Wer hier neue Wege geht, erweitert seinen Suchradius.
HR an der Front im War for Talents
In allen Maßnahmen der Mitarbeiterbindung, -gewinnung und -zufriedenstellung steht HR ganz vorne an der Front: Personalverantwortliche fungieren an den entscheidenden Schnittstellen als die Vermittler zwischen Belegschaft und Führungsebene. Sie können auf beiden Seiten Anforderungen identifizieren und diese harmonisch zusammenbringen. Somit zählen sie zu den wichtigsten Kämpfern im Fachkräftemangel und stehen vor der herausfordernden, aber auch spannenden Aufgabe, diesen zu bestehen. Mit kreativen und gut durchdachten Strategien kann ihnen das gelingen.
Häufig gestellte Fragen zum Thema War for Talents
Was bedeutet War for Talents?
War for Talents (engl. = Kampf um Talente) beschreibt den zunehmenden Wettbewerb der Unternehmen um die besten Kandidaten im Fachkräftemangel. Der Begriff War for Talents wurde bereits im Jahr 1997 als Titel einer Studie von McKinsey geprägt und beschreibt sehr eindrücklich die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Unternehmen in Deutschland haben es zunehmend schwer, qualifiziertes Fachpersonal zu finden. Unter dem Begriff War for Talents wird das Phänomen des Fachkräftemangels zusammengefasst.
Was sind die Gründe für War for Talents?
Mit kontinuierlich abnehmenden Geburtenraten stehen Absolventen und Auszubildende bei ihrem Einstieg in den Arbeitsmarkt zahlenmäßig weniger Konkurrenz gegenüber Mitbewerbern gegenüber.
Was sind die Auswirkungen des War for Talents?
Der Engpass an qualifizierten Mitarbeitern hat vor allem in den betroffenen Branchen das Machtverhältnis zwischen Arbeitgebern und Bewerbern stark verändert. Gab es einst einen Überschuss an Jobnachfragern dominieren heute die Angebote von Arbeitgebern den Arbeitsmarkt.
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