Unternehmensnachfolge-Geschichten: Vom Gesang in die Bestattungsbranche – in zwölf Wochen
In zwölf Wochen von der Selbständigkeit als Sängerin in die Übernahme eines Bestattungsinstituts – ein besonderer Weg der Unternehmensnachfolge.
„Ich lerne mit jedem Auftrag, mit jeder neuen Situation und jedem Kunden dazu – solange ich dafür offenbleibe.“
Der Weg in die Unternehmensnachfolge ist nicht immer geradlinig. Während eine familieninterne Übernahme oftmals schon seit Jahren, wenn nicht Generationen, geplant ist, verläuft eine externe Nachfolge meist viel spontaner. Franziska Gerent-Augustin liefert dafür ein gutes Beispiel: Sie ist gelernte Reiseverkehrskauffrau. Dann wurde sie Sängerin und machte sich im Musikgeschäft gemeinsam mit ihrem Ehemann selbständig. Heute leitet sie als Unternehmensnachfolgerin ein Bestattungsinstitut. Wie es dazu kam, mit welchen Herausforderungen der Übergabeprozess verbunden ist und welche Zukunftsvisionen sie für ihr Unternehmen hat, erzählt sie im Interview.
Frau Gerent-Augustin, wie kamen Sie von Ihrer Ausbildung über die Selbständigkeit bis hin zur Unternehmensnachfolge? Erzählen Sie uns doch ein bisschen von Ihrem Werdegang.
Meine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau absolvierte ich in einem großen Unternehmen – der Fluggesellschaft airberlin. Mein Weg in die Selbständigkeit begann dann 2014. Beide Erfahrungen haben mich auf meinem beruflichen Weg sehr gestärkt. Eine Unternehmensnachfolge war zunächst nicht geplant – aber die ehemalige Inhaberin der Firma, Kordula Steinke, kam bereits 2019 auf meinen Mann und mich zu. Wir kannten uns schon seit 2017, als mein Mann und ich in meine Heimat, die Schorfheide, umzogen. Als Musiker, die auch Trauerfeiern begleiten, stellten wir uns in den Bestattungsinstituten der Region vor und arbeiteten unter anderem mit Frau Steinke zusammen. Sie bot uns die Übernahme ihres im Jahr 2000 gegründeten Unternehmens „Steinke Bestattungen“ von sich aus an. Ab diesem Zeitpunkt haben wir uns sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob wir uns vorstellen können, aus der Freiheit der Selbständigkeit in der Musikbranche in ein regional ansässiges Unternehmen mit Mitarbeitern zu wechseln. Letztendlich sagten wir zu und können heute sagen, dass das die richtige Entscheidung war.
Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewegt?
Da wir seit Jahren auch Trauerfeiern und Beisetzungen musikalisch begleiten, haben wir uns mit dem Thema Tod und Trauer bereits stark befasst und den Umgang mit trauernden Menschen kennenlernen können. Vorstellen konnten wir uns die Übernahme also von vornherein, der Terminkalender für 2020 war jedoch prall gefüllt mit Auftritten für Reden und musikalische Auftritte. Als Corona uns ab März 2020 dann beruflich in die Knie zwang, haben wir schnell reagiert und zum 01.06.2020 das Unternehmen Steinke Bestattungen übernommen.
Hätten Sie diesen Schritt also abseits von der Corona-Pandemie nicht gewagt?
Corona hat den Schritt beschleunigt, definitiv, ich hätte diesen Schritt ansonsten aber sicher trotzdem – nur erst später – gewagt.
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Wie sieht die Unternehmensnachfolge während einer Krise aus? Wie kann man all diese Herausforderungen gleichzeitig meistern? Und wie kann ich meine Unternehmen langfristig krisensicherer aufstellen?
Wie lief der Übergabeprozess ab?
Aufgrund der Vorlaufzeit seit September 2019 hatte ich mir ein umfangreiches Bild machen können von den unternehmerischen Werten. Frau Steinke und ich haben Gespräche zu den Konditionen geführt, ich habe Banktermine wahrgenommen und einen Ordner angelegt, in dem ich alles bereits ablegte. So konnten wir schnell reagieren, als die Übernahme im April 2020 dann spruchreif wurde, und einfach auf die entsprechend vorbereiteten Unterlagen zurückgreifen. Frau Steinke hat uns in allen Schritten sehr unterstützt und zugearbeitet. Mit viel Engagement von allen Seiten, auch von den Mitarbeitern, haben wir eine termingerechte Übergabe zum 01.06.2020 einhalten können und sind mittlerweile vertraut mit dem, was wir tun.
Was war die schwierigste Herausforderung – und warum?
Die schwierigste Herausforderung war, innerhalb kürzester Zeit alle bestehenden Verträge umzuarbeiten, die Finanzierung umzusetzen und mit den Neuerungen des Werbematerials rechtzeitig fertig zu werden. Wir haben ein komplettes Rebranding vollzogen. Steinke Bestattungen war außerdem zum Zeitpunkt der Übernahme ein seit gut 20 Jahren bestehendes Unternehmen in der Region, welches einen guten Ruf besaß und für Qualität und Professionalität im Bestattungsgewerbe, aber auch für Individualität stand. Somit war auch die Ungewissheit, ob wir von den Kunden in der Region als Nachfolger angenommen werden und dem guten Ruf gerecht werden können, eine Herausforderung.
Wie haben Sie sich auf den Nachfolge-Prozess vorbereitet und welche Skills und Kompetenzen mussten Sie sich erst noch aneignen?
Ich habe mich auf den Nachfolge-Prozess kaum vorbereiten können, da wir die Entscheidung und die Übergabe innerhalb weniger Wochen vollzogen. Daher verschaffte ich mir erst einmal einen groben Überblick und arbeite mich seit einem Jahr intensiv ein. Die Fachkenntnisse spielen eine große Rolle, deswegen mache ich seit Februar 2021 eine berufsbegleitende Ausbildung zur geprüften Bestatterin. Hinzu kommen soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen, denn der Umgang mit trauernden Menschen und mit Verstorbenen sind wesentlich in der Arbeit als Bestatterin. Berührungsängste mit dem Thema Tod sollte man dabei nicht haben, dennoch darf es aber auch nicht zur Selbstverständlichkeit werden. Ich möchte mir immer wieder bewusst machen, welche Arbeit wir täglich leisten und dass jeder Kunde ein Recht auf eine individuelle und persönliche Beratung und Betreuung hat. Nur so können wir gut bleiben in dem, was wir tun.
Wie war es für Sie, plötzlich in einer Rolle als Führungskraft zu stehen und die Verantwortung für mehrere Mitarbeiter zu tragen?
Das war eine neue Situation für mich. Ich hatte zwar Erfahrung aus meiner Zeit als Angestellte bei der airberlin, dort war ich zuletzt Ausbilderin für Tourismus- und Bürokaufleute. In meiner Selbständigkeit als Dienstleisterin war ich jedoch nur für mich selbst verantwortlich. Nun bin ich in einer Position mit der Verantwortung, Mitarbeiter zu führen und das Unternehmen mit den alten und neuen Ansätzen erfolgreich in die Zukunft zu führen – ein spannender und anspruchsvoller Bereich.
Was machen Sie heute schon anders als Ihre Vorgängerin?
Wir haben ein sehr gut organisiertes Unternehmen übernommen, daher waren es zunächst nur Kleinigkeiten, die wir veränderten: Die Urnen- und Sargträger tragen zum Beispiel mittlerweile weiße Handschuhe und einheitliche Mützen. Es gibt außerdem einen neuen Ablauf bei den Hausabholungen der Verstorbenen und wir haben wie gesagt das Marketing umgestaltet. Eine große Neuerung steht jetzt erst noch an: Wir sind dabei, ein neues Programm – sozusagen eine Bestatter-Software – auszuwählen und bald einzuführen. Auch unsere Branche digitalisiert sich.
Arbeiten Sie auch weiterhin mit Frau Steinke zusammen? Wie ist Ihr Verhältnis?
Ja, Kordula Steinke ist weiterhin als Mitarbeiterin im Unternehmen tätig. Sie hat uns den Einstieg sehr erleichtert, da sie mit ihrer Erfahrung und ihrem Engagement vieles ausgleicht, was wir im Unternehmen noch nicht einbringen konnten. Wir wollen weiterhin an der besonderen Note arbeiten, individuell bleiben und die Kommunikation nach außen pflegen, um dem Thema Tod einen Platz im Leben einzuräumen. Frau Steinke geht in vielem mit und sagt selbst, dass frischer Wind dem Unternehmen guttut.
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Sie haben die Firma gemeinsam mit Ihrem Mann übernommen. Wie teilen Sie sich die Aufgaben untereinander auf?
Die Zusammenarbeit mit meinem Mann funktioniert sehr gut. Er hat sich im Bereich der Abholung, Überführung und hygienischen Versorgung Verstorbener eingearbeitet und übernimmt die Kommunikation und Einteilung der Mitarbeiter in diesem Bereich. Ich bin für die organisatorischen Aufgaben zuständig: Abrechnung, Personal, aber auch Beratungsgespräche mit Kunden und der Einsatz im Büro. So haben wir uns zwar klar aufgeteilt, aber jeder von uns schnuppert auch mal in den Bereich des anderen hinein. Zu gegebener Zeit möchten wir dann beide vollständig einen Überblick in allen Bereichen haben. Gemeinsam sind wir auch weiterhin auf dem Friedhof als Redner und Musiker im Einsatz und freuen uns über das, was wir dort aus unserer vorherigen Arbeit einbringen können. Da wir bereits vorher musikalisch zusammengearbeitet haben, kennen wir die Situation, beruflich und privat viel zusammen zu sein. Wir profitieren davon, da keiner von uns die Verantwortung vollständig allein tragen muss. Das bietet jedem von uns eine große Sicherheit. Wir stehen füreinander ein.
Würden Sie sagen, dass Ihnen das „Unternehmertum“ von Natur aus liegt? Oder haben Sie sich das entsprechende Mindset und die Arbeitsweisen erst in der Selbständigkeit angeeignet?
Ich denke, es ist beides: der Mut und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aus meiner Zeit der Selbständigkeit, gepaart mit einer allgemeinen Bereitschaft, bis an die eigenen Grenzen – und darüber hinaus – zu gehen und sich auch weiterentwickeln zu wollen. Ich bin mit der Zeit gewachsen und habe mir vieles selbständig angeeignet. Denn ich lerne mit jedem Auftrag, mit jeder neuen Situation und jedem Kunden dazu – solange ich dafür offenbleibe.
Was ist Ihre Vision für die Zukunft?
Für die Zukunft möchten wir noch offener und transparenter nach außen auftreten, möchten dem Thema Tod Raum geben und uns freundlich und hell präsentieren. Wir möchten in den nahen Austausch mit Betroffenen, ihnen Möglichkeiten der verschiedenen Bestattungsarten und auch der Trauerbewältigung aufzeigen. Denn vom ersten Kontakt oder Telefonat bis hin zur Nachsorge wollen wir unseren Kunden zur Seite stehen – nach dem Prinzip „Alles aus einer Hand“.
Vielen Dank für das Interview!