Unternehmensnachfolge

Ost und West – ein starker Kontrast in der Nachfolge

Nach wie vor sieht die Nachfolgelage im Osten anders aus als in den westlichen Bundesländern. Das liegt unter anderem an Wirtschaftsstrukturen und Größe der Unternehmen. Im Artikel zeigen wir weitere Faktoren auf.

In den neuen und alten Bundesländern gibt es nach wie vor einen deutlichen Unterschied in der Nachfolge. Das betrifft die verschiedensten Faktoren wie Umsatz, Alter der Übergebenden sowie Mentalitätsunterschiede. Für Übernahmeinteressierte ist es daher sinnvoll, sich einen Überblick über die Nachfolgelage in den verschiedenen Regionen zu verschaffen.

Entwicklung der Umsatzerlöse

Bezüglich des Umsatzes lassen sich im Vergleich Ost-West zwar keine eindeutigen Aussagen treffen, wohl aber entlang einer Nord-Süd-Achse. Die links liegenden Bundesländer zeigten in den letzten Jahren eine positive Entwicklung, wenn es um den Umsatz im Jahr der Übergabe als Vielfaches des Umsatzes drei Jahre vor der Übergabe geht. Rechts der Achse fällt allerdings auf, dass nur Unternehmen in Brandenburg vor der Übergabe ein Umsatzwachstum aufwiesen.

Jahresumsatzvergleich drei Jahre vor der Übergabe
Jahresumsatzvergleich

Interessant ist auch die Beobachtung, dass die beiden nebeneinanderliegenden Bundesländer Hessen und Thüringen jeweils den Maximal- beziehungsweise Minimalwert erreichen, ohne dass es zu einem Nachbarschaftseffekt kommt. „Das liegt an den unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen der beiden Bundesländer“, erklärt Leander Hollweg, Leiter PR, Marketing und Volkswirtschaft bei der Intagus GmbH. „Im Rhein-Main-Gebiet gibt es mehr Mittelstand, weswegen dort die Gewinnentwicklung viel positiver verläuft als in Thüringen.“

Wanderung der Übernehmenden

Zwar sind Unternehmensübernahmen überwiegend lokal – die wenigsten Nachfolger ziehen in einen anderen Landkreis oder ein anderes Bundesland. Dennoch lassen sich bezüglich der Wanderung von Übernehmenden in ein anderes Bundesland Tendenzen ausmachen.

Wanderungen von Übernehmenden nach Bundesland Vergleich
Wanderungen der Übernehmenden Vergleich

Hier sticht innerhalb der neuen Bundesländer Brandenburg heraus, wo es laut Nachfolgemonitor 2021 im Jahr 2020 33 Übernehmer gab, von denen 23 aus Brandenburg stammten. Die anderen zehn sind nach Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt abgewandert, während einer aus Berlin hinzugekommen ist. Damit ergibt sich ein Negativsaldo von -27 Prozent. Das ist mehr als in jedem anderen Bundesland der Republik, was sich unter anderem aus der Nähe zu Berlin erklärt. Gleichzeitig gab es in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Plus von 28 Prozent die meisten Zuwanderungen.

Erwartete zukünftige Alterszunahme

In allen Bundesländern ist weiterhin mit einer Alterszunahme der Übergebenden zu rechnen. Bundesweit erhöht sich der Anteil der Übergebenden über 60 Jahren. Und auch die Zahlen für die über 65-Jährigen gehen nicht zurück. Im Osten hat sich die Prognose bereits mehr bewahrheitet als im Westen, wo allerdings der Anteil der Übergebenden von mindestens 60 Jahren in den letzten Jahren stärker angestiegen ist.

Firmengröße in Ost und West

Im Osten sind die Unternehmen eher kleiner als im Westen. „Das liegt vor allem daran, dass sie in einem ähnlichen Zeitraum gegründet wurden und damit weniger Zeit hatten zu wachsen“, erklärt Leander Hollweg. Unter anderem der Größe ist es auch geschuldet, dass die Übernahme länger dauert, da kleinere Unternehmen schwieriger zu vermitteln sind.

Frauenanteil nach Bundesland

Betrachtet man die Verteilung weiblicher Übernehmenden, fällt laut Nachfolgemonitor 2022 auf, dass vor allem die Stadtstaaten (Hamburg und Bremen jeweils mit 40, Berlin mit 38 Prozent) die ersten Plätze belegen. Im zweiten Schritt lassen sich davon abgesehen allerdings Unterschiede in den östlichen und westlichen Bundesländern ausmachen. So gibt es in den neuen Bundesländern die meisten Übernehmerinnen, allen voran in Mecklenburg-Vorpommern mit 32 Prozent gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 30 Prozent und Sachsen mit 26 Prozent. In den alten Bundesländern sind es im Vergleich deutlich weniger mit beispielsweise 16 Prozent in Niedersachsen und 13 Prozent in Bayern.

Frauenanteil der Übernehmenden nach Bundesländern
Frauenanteil nach Bundesland Vergleich

Zukunft der Übernahme im Osten

Die Familiennachfolge fällt im ehemaligen Osten mit 4 Prozent noch geringer aus als im ehemaligen Westen, weswegen vermehrt andere Käufergruppen ins Spiel kommen. „Für die sind die ostdeutschen Betriebe aber häufig zu klein und darum uninteressant“, sagt Leander Hollweg. „Der Osten befindet sich deswegen in einer Nachfolgekrise. Eine Lösung könnte sein, mehrere kleinere Unternehmen zu Paketen zusammenzuschnüren, die dann von einem oder mehreren Nachfolgern übernommen werden.“ Daher wurde das Konzept Unifive ins Leben gerufen, das genau die Unternehmensübernahme im Verbund umsetzt: Koordinatoren bringen Unternehmer und kleinere Unternehmen zusammen.

Unterschiede in der Mentalität

Letztendlich spielt auch die Unternehmermentalität in den neuen Bundesländern bei der Nachfolgesituation eine Rolle. „Im Westen sind die Unternehmer es eher aus Passion, sie wollen sich ein Lebenswerk aufbauen. Sie hätten mehr Möglichkeiten gehabt, etwas anderes zu machen“, weiß Leander Hollweg. Entsprechend sind im Osten viele Unternehmen auch nach der Wende eher aus der Not heraus entstanden, weil für viele fraglich war, wie die Zukunft aussehen würde.

Daher haben die Unternehmer in den neuen Bundesländern eine andere, pragmatischere Haltung zu ihrem Unternehmen. Während die Kollegen aus den alten Bundesländern häufig auch emotional an ihrem Lebenswerk hängen und es ihnen schwer fällt loszulassen, würden Unternehmer im Osten ihr Unternehmen eher schließen, wenn sich kein Käufer findet. „Es sei denn, sie sind bei ihrer Altersvorsorge auf den Kaufpreis angewiesen, dann sieht es anders aus“, erklärt Leander Hollweg. Und es gibt noch einen Zwiespalt: Im Osten fühlen sich Unternehmer tendenziell eher verantwortlich für ihre Region und die dortigen Arbeitsplätze. Auch dies ist ein Grund für viele, ihre Unternehmen erhalten zu wollen.