Nichts tun wird teuer! Alle Infos zum Thema Mindestlohn 2015
Lange wurde darum gerungen, nun tritt es am 1. Januar 2015 in Kraft – das Mindestlohngesetz (MiLoG). Deutschland erhält damit ab 2015 einen flächendeckenden und weitgehend branchenunabhängigen Mindestlohn. Danach haben grundsätzlich alle Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Entlohnung von wenigstens 8,50 Euro brutto je Arbeitsstunde. Rechtsanwalt Dr. Schlegel von der ETL-Gruppe beantwortet die derzeit wichtigsten Fragen zum Mindestlohngesetz.
Das Mindestlohngesetz 2015: Die wichtigsten Fragen und ihre Antworten
1. Gibt es Ausnahmen vom Mindestlohn?
Ja, es gibt Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn. Diese sind aber auf wenige Fallgruppen beschränkt.
Die wichtigsten sind:
- Menschen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung
- Auszubildende
- Ehrenamtlich Tätige
- Praktikanten unterfallen dem MiLoG, es sei denn, dass sie ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten, ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten, ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat.
Hinweis: Im Zuge des Mindestlohngesetzes wurde auch das Nachweisgesetz geändert: Wer einen Praktikanten einstellt, hat unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen.
- Langzeitarbeitslose (d. h. Arbeitslosigkeit von mindestens einem Jahr), die in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Für sie gilt der Anspruch auf den Mindestlohn für die ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung nicht.
- Saisonarbeiter: Für sie gilt zwar der Mindestlohn. Sie sind jedoch für 70 Tage von der Sozialversicherungspflicht befreit. Zudem können Kost und Logis auf den Mindestlohn angerechnet werden.
- Zeitungszusteller: Hier wird das Mindestentgelt von 8,50 Euro schrittweise bis 2017 eingeführt. Verleger dürfen demnach 2015 Mini-Jobbern 6,38 Euro/Stunde und 2016 7,23 Euro/Stunde zahlen. Erst 2017 sind 8,50 Euro/Stunde zu zahlen.
Hinweis: Das Mindestentgelt von 8,50 Euro gilt grundsätzlich unabhängig von der Qualifikation des Arbeitnehmers. Ein fehlender Berufsabschluss, ungenügende Sprachkenntnisse oder gar die Herkunft des Arbeitnehmers aus einem anderen Land rechtfertigen generell keine Ausnahme von der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestentgelts! Auch sieht das Gesetz keine Ausnahmen für nahe Angehörige, Ehe- und Lebenspartner usw. vor. Das Lebensalter (z. B. bei der Beschäftigung von Rentnern) rechtfertigt ebenfalls keine Unterschreitung des Mindestlohns.
2. Wie verhält sich das Mindestlohngesetz zu bestehenden Mini-Jobs?
Auch Mini-Jobber haben unter Beachtung der bereits erwähnten Ausnahmen einen Anspruch auf Mindestlohn. Für Mini-Jobber ist das ausbezahlte Entgelt (z. B. 450 Euro) durch die Zahl der regelmäßig zu arbeitenden Stunden zu teilen. Dabei muss sich ein Mindestentgelt von 8,50 Euro ergeben.
Beispiel: Muss ein Minijobber 60 Stunden im Monat arbeiten, erhält er je Stunde lediglich 7,50 Euro, der Mindestlohn wird also um 1,00 Euro je Stunde unterschritten.
3. Müssen Unternehmer auch bei freien Mitarbeitern auf den Mindestlohn achten?
Freie Mitarbeiter unterfallen nicht dem gesetzlichen Mindestlohn. Es muss aber immer gesichert sein, dass es sich wirklich um einen selbständig Beschäftigten handelt (Stichwort: Scheinselbstständigkeit).
4. Wie wirkt sich der Mindestlohn auf das Monats-Brutto aus?
Bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich besteht ein monatlicher Mindestentgeltanspruch in Höhe von 1.470,50 Euro brutto (8,50 Euro x 173 Stunden/Monat). In Monaten mit überdurchschnittlich vielen Werk- bzw. Arbeitstagen kann es zu einer höheren Mindestvergütung kommen; so beträgt das Mindestentgelt bei 23 Arbeitstagen in Vollzeit schon 1.564,00 Euro (23 Arbeitstage x 8 Stunden x 8,50 Euro). Eine „Verrechnung“ mit Monaten mit z. B. nur 20 Arbeitstagen findet wahrscheinlich nicht statt. Allerdings kann ggf. bei Einrichtung eines Jahresarbeitszeitkontos ein Ausgleich zwischen „starken“ und „schwachen“ Monaten stattfinden.
5. Was passiert mit bestehenden Tarifentgelten?
Für laufende Mindestlohntarifverträge gibt es eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2016. Bis dahin sind tarifliche Abweichungen (unterhalb des Mindestlohns) auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlaubt.
6. Wird das Weihnachtsgeld u. ä. beim Mindestlohn mit einberechnet?
Beides dürfte nach derzeit vorherrschender Auffassung beim Mindestlohn keine Berücksichtigung finden, müsste als ggf. zusätzlich bezahlt werden.
7. Was droht bei Unterschreitung des Mindestlohns?
Arbeitnehmer können die Entgeltdifferenz zwischen tatsächlich gezahltem Entgelt und Mindestlohn in vielen Fällen erfolgreich einklagen. Die Sozialversicherungsträger werden grundsätzlich vom Mindestlohn ausgehen und die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile erheben, wobei der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur für die letzten drei Lohnabrechnungszeiträume in Anspruch nehmen kann.
Hinweis: Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer (Subunternehmer) mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers zur Zahlung des Mindestlohns, wenn er nicht nachweisen kann, dass er von der Unterschreitung des Mindestlohnes weder positive Kenntnis, noch grob fahrlässige Unkenntnis hatte.
Ordnungswidrig handelt unter anderem, wer den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden (z. B. 26.000 Euro Geldbuße bei einem nicht gezahlten Mindestlohn in Höhe von 10.000 Euro. Üblicherweise lautet die Formel: Geldbuße = nicht gezahlter Mindestlohn x 2 + 30 %. Bei nachgewiesenem Vorsatz verdoppelt sich der Betrag noch einmal.
8. Können Unternehmen mit einer Verzichtserklärung des Arbeitnehmers den Mindestlohn umgehen?
Der Anspruch auf den Mindestlohn ist unverzichtbar. Eine durch den Arbeitnehmer abgegebene Erklärung ist unbeachtlich.
Autor ist dieses Mal Rechtsanwalt Dr. Schlegel (Weitere Infos: Hier klicken)