Unternehmensnachfolge 2022. Entwicklungen und Trends
Die Unternehmensnachfolge ist derzeit und künftig wohl eine der großen Herausforderung neben Digitalisierung und Fachkräftesicherung für den Mittelstand. 6 Trends in der Unternehmensnachfolge zeichnen sich deutlich ab.
Auch 2022 suchen wieder zahlreiche Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geht von etwa 230.000 Unternehmen aus – im Jahr zuvor waren es aufgrund des „Corona-Knicks“ 76.000 Unternehmen.
Der Knick scheint nun überwunden, das zumindest legt die Tatsache nahe, dass das Thema Nachfolge in Unternehmen wieder einen höheren Stellenwert erhält. Drei Viertel der Unternehmen haben darüber hinaus gute Chancen, dass die Nachfolge auch umgesetzt wird, denn sie haben bereits eine erfolgreiche Nachfolgesuche abgeschlossen, beziehungsweise sind in Verhandlungen.
Der Trend zu mehr Nachfolgebedarf wird weiter anhalten, was ein Blick auf das Durchschnittsalter der Unternehmerinnen und Unternehmer zeigt, die 2022 die Nachfolge anstreben (66 Jahre). Hinzu kommen niedrige Geburtenzahlen sowie allgemein eine geringere Bereitschaft zur Selbständigkeit.
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6 Trends in der Unternehmensnachfolge
- Unternehmensnachfolge ist neben Digitalisierung und Fachkräftesicherung weiterhin die größte Herausforderung für den Mittelstand.
- Das Bewusstsein für das Thema Nachfolge unter Inhaberinnen und Inhabern von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist nach 2020 noch einmal gestiegen.
- Das Interesse an Nachfolgegründungen brach im Krisenjahr 2020 auf 46.000 im Vergleich zu zuvor durchschnittlich 60.000 ein. Ein Anstieg ist bis auf weiteres nicht zu erwarten, da auch die Zahl der erfassten Übernahmen um den Jahreswechsel 2020/21 herum mit 13.000 niedriger ist als in den beiden Vorjahren (jeweils 15.000).
- Bis zum Jahr 2019 war ein Rückgang der familieninternen Übernahmen zu verzeichnen. Das änderte sich jedoch 2020, als externe Übernahmen aufgrund der Pandemie wahrscheinlich schwieriger umzusetzen waren und persönliche Bindungen bedeutsamer wurden. Der Prozentsatz der Familiennachfolge stieg von 34 Prozent (2019) auf 46. Damit ist sie in der Krise die beliebteste Übernahmeoption.
- Die Kaufpreise für KMU sind zwar prozentual etwas gestiegen, dennoch haben die meisten Inhaber und Inhaberinnen eher realistische Kaufpreisvorstellungen.
- Der demographische Wandel wird den Bedarf an Nachfolgen weiter erhöhen, aber gleichzeitig die Nachfolgesuche erschweren. Die Zahl der über 55-jährigen Unternehmer und Unternehmerinnen hat sich seit 2002 mehr als verdoppelt, die Zahl jüngerer Unternehmer und Unternehmerinnen in diesem Zeitraum halbiert.
Die Lösung der Nachfolgeproblematik im Mittelstand wird in den kommenden Jahren der Schlüssel für die zukünftige erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sein. Schließlich sind über 99 Prozent aller Unternehmen hierzulande kleine und mittlere Unternehmen. Sie erwirtschaften jeden zweiten Euro und ihnen sind knapp 17 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs und rund 1,2 Millionen Ausbildungsplätze zu verdanken.
Das Thema Nachfolge ist bei Unternehmern stärker präsent
Positiv zu vermerken ist, dass das Thema Nachfolge inzwischen im Bewusstsein vieler Unternehmerinnen und Unternehmer angekommen ist. Noch nie haben sich so viele von ihnen aktiv damit beschäftigt. Das ist sicher den verstärkten Anstrengungen der Wirtschaftspolitik in Bund und Ländern und vielen Initiativen der regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK) zu verdanken. Genannt werden müssen hier vor allem Projekte wie die bundesweite Unternehmensbörse nexxt-change und viele regionale Börsen, Förderprogramme und spezialisierte Beratungs- und Informationsangebote. Eine stetig wachsende Medienberichterstattung hat wohl ebenfalls ihren Anteil.
Aktuelle Daten der KfW zeigen, dass immer mehr Inhaberinnen und Inhaber frühzeitig eine Lösung für ihre Nachfolge finden. Von den Unternehmen, die in den kommenden zwei Jahren eine Nachfolge anstreben, haben bereits 74 Prozent die Verhandlungen entweder abgeschlossen oder sind in laufenden Verhandlungen. 12 Prozent aber sind in diesen Prozess noch gar nicht aktiv eingestiegen bzw. sie haben nur erste Informationen gesammelt. Hier gibt es kaum Chancen, innerhalb des geplanten Zeitraums eine Nachfolge zu finden. Experten der Industrie- und Handelskammer veranschlagen für den Prozess der Unternehmensnachfolge mindestens einen Zeitraum von drei Jahren, oft ist aber mehr Zeit vonnöten.
Familiennachfolge versus externe Nachfolger
Familieninterne Nachfolgen waren bis 2019 in Deutschland ein Auslaufmodell. Häufig hatten die eigenen Kinder andere berufliche Präferenzen. In Handwerkerfamilien erlernten immer weniger Jugendliche einen Beruf, sondern studierten und orientierten sich in der Folge weg vom Familienbetrieb. Das hat sich mit der Pandemie geändert, als familieninterne Übernahmen leichter umsetzbar schienen. Der Trend hielt sich auch im Jahr 2021.
Inzwischen wünschen sich nur noch 41 Prozent der Unternehmer und Unternehmerinnen mit derzeitigen Nachfolgegedanken eine Übergabe an einen externen Nachfolger, so die aktuellen Zahlen der KfW. Im Jahr 2019 waren es noch 50 Prozent gewesen.
Für die Kaufinteressenten gibt es allerdings nach wie vor gute Gründe für den Erwerb mittelständiger Unternehmen: Sie greifen so auf ein Geschäftsmodell zurück, das sich bereits bewährt hat, was auch Komponenten wie den Kundenstamm, Lieferanten und Mitarbeiter einschließt. Darüber hinaus ist in den meisten Fällen eine überdurchschnittliche Kapitalstärke und Finanzsituation vorhanden.
Einige Hürden beim Verkauf an Externe oder Mitarbeiter
Bei Unternehmensverkäufen an Externe – wenn Altinhaber und potenzieller Nachfolger sich nicht kennen – sind die Informationsasymmetrien ausgeprägt und die Transaktionskosten einer erfolgreichen Nachfolge hoch. Da eine Nachfolge meist nur einmal im Leben ansteht, mangelt es den meisten Altunternehmern natürlich an Erfahrungen und Kenntnissen über die Prozesse, die vor ihnen liegen. Und sie haben nur selten kompetente Ansprechpartner und entsprechende Kontakte.
Etwas unkomplizierter ist es sicher beim Unternehmensverkauf an eigene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Diese Nachfolgevariante wird immer beliebter: Konnte sich 2018 ein Viertel der Unternehmer mit Nachfolgeplänen einen solchen Verkauf vorstellen, so war es im Folgejahr bereits ein Drittel. Nach einem Rückgang im Jahr 2020 lag der Prozentsatz für 2021 wieder bei knapp über einem Drittel. Dabei übernehmen einer bzw. mehrere Führungskräfte oder die Beschäftigten insgesamt das Unternehmen. Hier stimmt zumindest schon einmal die Chemie zwischen den Akteuren, dennoch müssen die Verhandlungen und Prozesse ebenso professionell gemanagt werden, wie bei Betriebsfremden.
Die schlechte Nachricht bei den Nachfolgen an externe Käufer: 62 Prozent der Unternehmer und Unternehmerinnen mit dem Wunsch nach einem externen Nachfolger im Jahr 2021 haben nach Erhebungen der KfW noch nicht mit der Suche begonnen. Beziehungsweise haben sie sich nur grobe Informationen beschafft und konnten daher nicht mit konkreten Verhandlungen beginnen. Das sind keine guten Voraussetzungen, um im selbst festgelegten Zeitrahmen eine erfolgreiche Nachfolge zu stemmen.
Doch auch die Stilllegung ist für viele Unternehmerinnen und Unternehmer eine Alternative. Von denjenigen, die bereits konkret über die Zukunft ihrer Unternehmen nachdenken, nennen immerhin 18 Prozent diese Option. Auch das gehört zum Strukturwandel im Mittelstand. Betroffen sind jedoch meist kleinere und Kleinstunternehmen.
Demographie und Unternehmensnachfolge
Auf einen kurzen Nenner gebracht: Der demographische Wandel wird den Bedarf an Nachfolgern im deutschen Mittelstand zukünftig spürbar erhöhen und gleichzeitig die Suche nach Nachfolgern erschweren.
Die Überalterung der deutschen Gesellschaft macht auch vor Unternehmerinnen und Unternehmern nicht halt. Nein, sie wird bei ihnen sogar besonders deutlich: Bereits heute sind etwas mehr als 1,5 Millionen oder 44 Prozent der Firmen-Inhaber 55 Jahre und älter. Wenn die sogenannten „Babyboomer“, der geburtenstärkste Jahrgang der deutschen Nachkriegsgeschichte, dann ab circa 2025 in den Ruhestand gehen, müssten ihre ersten Nachfolger in den Chefsesseln Platz genommen haben.
Im Vergleich zur Gesamtgesellschaft ging die Alterung bei den Inhabern im Mittelstand sehr viel schneller vor sich: Betrug ihr Durchschnittsalter im Jahr 2002 noch 45 Jahre, so sind es aktuell 66 Jahre. Unternehmerinnen und Unternehmer im deutschen Mittelstand sind schon jetzt sehr viel länger erwerbstätig als der Durchschnitt der Bevölkerung. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Selbst wenn alle anstehenden Nachfolgen innerhalb von zwei Jahren erfolgreich umgesetzt werden würden – sehr unrealistisch bei den oben angeführten Zahlen der KfW –, wären die betreffenden Inhaberinnen und Inhaber dann durchschnittlich 67 Jahre alt.
Nicht umsonst ist also die Unternehmensnachfolge neben Digitalisierung und Fachkräftesicherung derzeit und künftig wohl eine große Herausforderung für den Mittelstand.
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