Finanzierung, Formalitäten, Fortbestand. Aspekte einer anstehenden Firmenübergabe.
Mehr als 800.000 Firmenchefs wollen in Deutschland bis 2022 aus ihrem Betrieb ausscheiden und denken über eine Firmenübergabe nach, so eine KfW-Studie von 2018. Ihr zufolge haben ca. 30 Prozent ihre Nachfolge bereits geregelt. Weitere 30 Prozent befinden sich in Verhandlungen mit konkreten Kandidaten. Unter Berücksichtigung einer empfohlenen Planungsphase von etwa 3 bis 5 Jahren wird die Zeit für nicht wenige Unternehmen langsam knapp. Wie knapp, zeigt eine KfW-Studie für den Bereich der Altersstruktur in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU):
- 2002 betrug der Anteil der Unternehmensinhaber über 55 Jahre 20 Prozent.
- 2016 betrug der Anteil der Unternehmensinhaber über 55 Jahre bereits 39 Prozent.
Nachfolgend möchten wir mit einigen grundsätzlichen Aspekten anregen, das Thema Firmenübergabe für die eigene Situation weiterzuverfolgen.
Der Wert eines Unternehmens
Es gibt zwei Verfahren, die in der Praxis als Grundlage zur Ermittlung eines Unternehmenswertes angewandt werden.
Ertragswert-Verfahren
Im Kern geht es hier darum, zukünftige Gewinne eines Unternehmens zu berechnen. Dafür werden erwartete Erträge mit dem Kapitalisierungszinssatz dividiert. Im Zinssatz werden Zinsen für konventionelle Geldanlagen mit dem unternehmerischen Risiko kombiniert, das für diese Geldanlagen nötig ist.
Ebit-Verfahren
Hierbei wird der Jahresgewinn (vor Zinsen und Steuern) mit einem spezifisch ermittelten Faktor kombiniert, der unter anderem die Branche und die Verschuldung eines Unternehmens berücksichtigt. Das Ergebnis wird direkt in Euro angegeben.
Doch allein gemessen an Faktoren zum Unternehmenswert wie beispielsweise Gesellschaftsform, Unternehmensgröße, Führungsstruktur, Branche, Standort usw. wird klar, wie unendlich verzweigt sich das Thema Firmenübergabe darstellt.
Die Feststellung eines Unternehmenswertes sollte, wie der gesamte Übergabeprozess auch, von Steuerberatern, Fachanwälten und M&A-Fachleuten (Mergers & Acquisition) begleitet werden. Dem Eigentümer und Gründer eines Unternehmens, der vielleicht über viele Jahre viele persönliche Opfer gebracht hat und wirtschaftliche Risiken eingegangen ist, kann man kaum abverlangen, den Wert seines Unternehmens emotionslos zu beziffern.
Steuerberater konzentrieren sich zuweilen gerne auf substanzielle Werte – Immobilien, Grundstücke, Vermögen, Sachwerte, Verträge, Verbindlichkeiten. Alleine betrachtet sind die jedoch gerade für den Mittelstand wenig geeignet. Denn es gibt immaterielle Werte, die vergleichbar relevant sind: Unternehmenskultur, Verhältnis zu Lieferanten und Kunden, Position im Markt, Position innerhalb der Branche, Geschäfts- oder Produktidee.
Online-Rechner zur Unternehmensbewertung sind nicht unseriös, können aber nicht im Ansatz eine veritable Wertschätzung eines Unternehmens vornehmen, sei es auch noch so klein. Dabei handelt es sich nur um Teaser-Angebote.
Ein Beispiel aus dem Mittelstand (Apotheke) soll die Problematik allgemeiner Faktoren zur Wertermittlung verdeutlichen: ein Dorf mit 3.000 Einwohnern hat ein „Ärztehaus“ mit einer allgemeinmedizinischen Praxis und einer Apotheke. Doch plötzlich wird der Praxisarzt schwer krank und sein angestellter Kollege möchte die Praxis nicht übernehmen. Sie steht leer. Mit einem Schlag steht die Apotheke jetzt vor einem hundertprozentigen Wertverlust – so gut wie niemand würde sie in dieser Situation kaufen. Dagegen sind alle anderen Aspekte nahezu bedeutungslos.
Ziele
Nicht selten ist der erwartete Verkaufserlös an weitere Ziele gebunden. Das können ebenso eine neue Unternehmensgründung, weitere Investitionsvorhaben oder Preismaximierung sein wie auch eine persönliche Altersvorsorge. Gerade im Mittelstand sind Zahlungsmodalitäten schnell genauso entscheidend wie der Preis.
Doch auch der Kauf eines Unternehmens ist an Ziele gebunden. Der Fortbestand des Unternehmens (Substanz, Rentabilität, Liquidität) muss dabei nicht zwingend gemeint sein. Aber zumindest sollte der Verkaufspreis den nicht leichtfertig gefährden.
Finanzierung und Übernahme
Die verfehlte Finanzierung ist der Hauptgrund für gescheiterte Übernahmen. Gerade im Bereich KMU fallen zusätzliche Kostenfaktoren zum Kaufpreis an, die schnell unterschätzt werden.
Die Firmenbewertung unter Einbeziehung entsprechender Experten ist ein Kostenfaktor. Aber auch Verträge aufsetzen zu lassen, Grundbucheinträge, Notarkosten oder der Eintrag ins Handelsregister kosten Geld. Wenn vielleicht sogar noch eine Namensänderung ansteht, braucht es ein neues Corporate Design und neue Corporate Materialien (Website, Visitenkarten, Beschilderungen usw.)
Neben klassischen Finanzierungs- bzw. Darlehensmodellen kann das Search-Fund-Konzept eine sinnvolle Alternative darstellen. Investoren statten potenzielle Nachfolger anderer Firmen mit Kapital aus. Das Search-Fund-Konzept ist häufig vor allem bei kleineren Betrieben sinnvoll. Ein gängiges Beispiel: Der Kaufpreis verteilt sich 75 Prozent Beteiligungskapital, das der neue Inhaber zusammengebracht hat plus 25 Prozent Eigenkapital.
Eine weitere bekannte Variante der Übernahme ist die Beteiligungsgesellschaft. Die wird vom Käufer bzw. Nachfolger des Verkäufers gegründet. Sie fungiert als Kreditnehmer und bezahlt den Kaufpreis als gut verzinstes Gesellschafterdarlehen an den Verkäufer. Sowohl viele Käufer als auch dahinter stehende Banken schätzen dieses Modell, weil es Liquiditätsflüsse besonders klar darstellt.
Familienunternehmen und interne Firmenübergaben
KMUs bleiben häufig in der Eigentümerfamilie. Ein familieninterner Verkauf macht wirtschaftlich und steuerlich wenig Sinn. Im Gegensatz dazu kann eine Firmenübergabe mittels Schenkung in der Familie durchaus steuerliche Vorteile mit sich bringen. In Fragen von Schenkungen findet man immer auch guten Support bei der zuständigen IHK.
Bei Firmenübergaben innerhalb der Familie gibt es auch heute noch Verpachtungen von Firmenhardware wie Werkstatt, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung an den Nachfolger/Erben. Allerdings ist diese Praxis unter emotionalen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten sehr fragwürdig. Dergleichen wird fast immer als erhebliches Misstrauen gegenüber dem Nachfolger gedeutet und wirkt immer auch negativ auf Mitarbeiter, Kunden und Partner des Unternehmens. Und verheimlichen lässt sich so eine Praxis im digitalen Zeitalter ohnehin nicht mehr.
Alternativ kommen auch infrage:
- ein Arbeitnehmerverhältnis mit stiller Beteiligung des Nachfolgers,
- der Eintritt des Nachfolgers als Kommanditist bei einer KG,
- die Übertragung der Geschäftsführung in einer GmbH mit späterer Übertragung von Gesellschaftsanteilen
- oder die Implementierung des Nachfolgers als voll haftender Gesellschafter in einer GbR beziehungsweise OHG.
Vor einem solchen Wechsel und noch vor der unternehmerischen Planungsphase der Übergabe sollten allerdings alle für die Familie relevanten Dokumente wie Gesellschaftsverträge, sofern vorhanden Miet-, Pachtverträge sowie Testament, Ehevertrag und Vollmachten geprüft und evtl. angepasst werden.
Überblick über Formalitäten einer Firmenübergabe
- Notar: Übertragungen von Geschäftsanteilen ober Kommanditanteilen müssen notariell beglaubigt werden. Erbverträge bzw. Änderungen daran oder beispielsweise auch Verzichtserklärungen beim Pflichtteil sollten unbedingt beim Notar beurkundet werden.
- Banken: Überprüfung/Überarbeitung von: Kreditverpflichtungen, Sicherheiten und Bürgschaften, Konten und Daueraufträge.
- Finanzamt: Änderungsmeldung, neue Steuernummer für Übernehmer
- Arbeitsamt, Stadt, Gemeinde, Berufsgenossenschaft, Handwerkskammer, Gewerbeaufsichtsamt: Betriebsänderung melden
- Landes Versicherungsanstalt für Arbeiter (LVA)/ Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA): Mitteilung
- Leasingverträge, Pacht, Mietvertrag: ggf. Änderungen oder Neuabschluss
- Versicherungen: Änderungsmeldung für alle betrieblichen Versicherungen