Europa nach Brexit: Darauf sollten Unternehmen trotz Übergangsfrist jetzt achten
Europa nach dem Brexit. Nach langem Tauziehen ist es nun vollbracht: Der Brexit ist Tatsache, die Tage der britischen Abgeordneten im EU-Parlament sind gezählt. Mitte Januar haben die britischen Abgeordneten das Brexit-Ratifizierungsgesetz beschlossen. Mit dem 31. Januar 2020 endete die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königshauses. Die neue Zeitrechnung bringt mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union für den Binnenmarkt sowohl dies- als auch jenseits des Ärmelkanals weitgehende rechtliche und wirtschaftliche Folgen. Im- und Exporte beispielsweise werden durch den Austritt zu einem Warenverkehr mit einem Drittstaat umqualifiziert. Die Konsequenzen sind komplex und zurzeit nur theoretisch absehbar. Wir haben zusammen mit dem Londoner Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov betroffene Kunden in Europa, also auf beiden Seiten des Brexits, dazu befragt, wie sie die Auswirkungen des Austritts einschätzen.
Einjährige Übergangsphase
Wie sich zeigte, gibt es bei den Vorbereitungen insbesondere im Mittelstand noch einiges an Handlungsbedarf. Die einjährige Übergangsphase verschafft uns zwar in der Tat ein wenig Luft. Dennoch sollten Sie sich bereits jetzt auf die veränderten Bedingungen vorbereiten. Insgesamt wurden 1.122 Unternehmen quer durch alle Branchen interviewt. Von der Landwirtschaft über den Finanzdienstleistungssektor bis hin zu Versorgungsbetrieben und Non Profit-Organisationen. 340 Teilnehmer aus UK und 782 Interviewpartner aus den EU-Ländern Irland, Spanien, Frankreich und Deutschland standen Rede und Antwort zu wichtigen Fragen. Dadurch erhielten wir eine Reihe interessanter Einblicke aus Sicht der Unternehmen. Im Zentrum standen die Auswirkungen des britischen EU-Ausstiegs, insbesondere ihre wirtschaftliche Tragweite und ihre Bedeutung für das Exportgeschäft.
Der Brexit wird weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben
Die Übergangsphase bis Ende 2020 soll der EU und der britischen Regierung dazu dienen, ein Freihandelsabkommen zu verhandeln. Während dieser Schonfrist, die auch im nationalen Übergangsgesetz BrexitÜG der Bundesregierung verankert ist, bleibt Großbritannien unverändert im EU-Binnenmarkt. Was jedoch danach kommt, ist im Detail noch unklar. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings: Der Brexit wird weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft sowohl in Großbritannien als auch bei den Mitgliedern der Europäischen Union haben. Wie weitreichend diese sein werden, dazu gehen die Meinungen auseinander. Eine der größten Sorgen besteht laut Angaben der Befragten darin, dass aufgrund des gestiegenen Zollaufwands auch die Gesamtkosten für Produkte, die nach UK exportiert werden sollen, steigen werden. Verunsichert sind zudem viele europäische und deutsche Unternehmen, die Mitarbeiter mit einem britischen Pass in ihrem Haus beschäftigen.
Deutscher Mittelstand vergleichsweise entspannt
Die irische Republik scheint momentan die größten Bauchschmerzen zu haben. Einerseits aufgrund der politischen Verflechtungen mit der Nachbarinsel, andererseits auch aufgrund der geografischen Nähe verständlich. Immerhin 63 Prozent der befragten irischen Unternehmen davon aus, dass der Brexit einen starken Einfluss auf ihre ökonomische Entwicklung zeitigen wird. Zum Vergleich: Die Spanier belegen zwar Platz 2 bei der Befürchtung eines „strong impacts“, also schwerer Auswirkungen, allerdings nur noch mit 28 Prozent. Der deutsche Mittelstand sieht die Lage vergleichsweise entspannt. Nur knapp ein Fünftel unserer heimischen Unternehmen nehmen an, dass der Brexit ihre Geschäfte stark beeinflussen wird. In irgendeiner Art und Weise betroffen sind nach eigener Einschätzung allerdings doch 40 Prozent der befragten deutschen Unternehmen – und wenn es nur mit geringen Konsequenzen ist.
Vorbereitung tut Not
Nicht nur die wirtschaftliche Dimension, auch der zeitliche Ablauf war lange eine schwer einschätzbare Größe. Im Spätsommer 2018 rechneten noch 42 Prozent der Unternehmen damit, dass der Brexit bis März 2019 abgeschlossen sein würde. Inzwischen hat sich gezeigt, dass jene 40 Prozent, die einen finalen EU-Austritt Großbritanniens nicht vor 2021 für wahrscheinlich halten, Recht behalten würden. Trotz des über lange Zeit unberechenbaren Abstimmungsverhaltens der britischen Parlamentarier sind sich europäischen und deutsche Unternehmender Auswirkungen des Brexits auf ihre Geschäftsprozesse bewusst. Das gaben immerhin zwei Drittel der Befragten an.
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Vermeintliche Gelassenheit
Ein wenig erstaunlich ist vor diesem Hintergrund der „Mut zur Lücke“, den zahlreiche Manager und Prozessverantwortliche bewiesen haben und auch heute noch zeigen. 39 Prozent der von YouGov befragten EU-Unternehmen sahen vor Dezember 2020 keine Notwendigkeit, ihre Geschäftsprozesse auf die drohenden Veränderungen einzustellen. 24 Prozent wollten die Entwicklungen im Frühjahr 2019 abwarten; lediglich 37 Prozent haben bereits vor der finalen Entscheidung vorbereitende Maßnahmen getroffen, um für die Herausforderungen des Brexits gewappnet zu sein. Diese vermeintliche Gelassenheit mochte in der Vergangenheit beruhigende Auswirkungen auf den Geschäftsklimaindex haben. Mit dem Eintritt des Brexit am 31. Januar sollte es mit der Gelassenheit jedoch endgültig vorbei sein – und das trotz Übergangsphase.
Unterstützung durch Aufklärung
Wie die YouGov-Studie auch gezeigt hat, gibt es klaren Aufklärungsbedarf, insbesondere wenn es um die Details geht. Lediglich 17 Prozent der europäischen Unternehmen gaben an, sich der Auswirkungen neuer Regularien zum Personen- und Warenverkehr zwischen UK und EU in vollem Umfang bewusst zu sein. An dieser Stelle wollen wir unterstützen – schließlich haben wir selbst zahlreiche Kunden, die von einer veränderten Rechtslage durch den Brexit betroffen wären. Die gute Nachricht vorweg: Da die rechtlichen Folgen nicht unmittelbar mit dem Austritt am 31. Januar eingetreten sind, ist keine akute Änderung an Ihrer SAGE-Software erforderlich. Dennoch gilt nun für alle Unternehmen, die in Großbritannien relevante Absätze fahren, sämtliche Prozesse rund um den Export ihrer Produkte so effizient und flexibel wie irgend möglich zu gestalten.
Neue Anforderungen von Sicherheitsstandards bis Datenschutz
Darüber hinaus wird es unabdingbar sein, sich mit allen denkbaren neuen Anforderungen an das Steuer- und Zoll-Reporting sowie veränderten Sicherheitsstandards, datenrechtlichen Rahmenbedingungen sowie Reise- und Arbeitsbestimmungen für nicht-UK-Bürger vertraut zu machen. Auch wenn mit der Übergangsphase ein wenig Druck aus der Angelegenheit genommen ist, so sollten sich Unternehmen nicht zu sehr in Sicherheit wiegen.