Benutzerfreundlichkeit von B2B-Software Teil 1: Warum ist sie heute so wichtig wie nie zuvor?
Auf die Frage, wie digital der B2B-Bereich heute arbeitet, liefert eine Studie vom IFH Koeln eine eindeutige Antwort: Wie digital ist die B2B-Beschaffung? Auf jeden Fall deutlich digitaler als noch vor fünf Jahren. Das zeigt allein das enorme Umsatzwachstum im B2B-E-Commerce. Knapp 1.300 Milliarden Euro wurden 2018 zwischen Geschäftskunden elektronisch umgesetzt. Damit erreicht der gesamte B2B-E-Commerce-Markt einen Anteil von rund 24 Prozent am Gesamtumsatz aller betrachteten Wirtschaftszweige. Und: Die Beschaffung über das Internet nimmt kontinuierlich zu.
B2B-UX hinkt B2C-UX hinterher
Trotz dieser positiven Entwicklung hinkt der B2B-Bereich nicht nur beim E-Commerce, also in B2B-Shops und -Bestellplattformen, sondern auch bei der B2B-Software hinterher. Während im Consumer-Bereich User Experience (UX)-Designer Benutzeroberflächen für Apps und Shops gestalten, die auch ohne Schulung und lange Einarbeitung selbsterklärend funktionieren – weil sie das müssen, um bei Kunden anzukommen – halten sich im B2B-Bereich oft hartnäckig Relikte aus der digitalen Urzeit. Antiquierte Excel-Listen und Faxe für Bestellungen, sowie schmucklose und komplexe Eingabemasken im Web sind keine Seltenheit im B2B-Umfeld. Warum ist die Benutzerfreundlichkeit, auch Usability genannt, dort immer noch derart unterentwickelt, wo doch gerade hier große Umsätze winken?
Consumer-Software mit Vorbildfunktion
Das hat zum Teil die Ursache, dass B2B-Software traditionell sehr von Funktionalität geprägt war, während die Software-Ergonomie erst später berücksichtigt wurde. Im Consumer-Bereich wird das Thema Usability hingegen naturgemäß hoch aufgehängt und deshalb auch von Anfang mitgedacht: Die B2C-Zielgruppe ist breiter gefächert, weder besonders technikaffin, noch will sie viel Zeit und Energie ins Lernen, zum Beispiel in die Benutzung einer App, investieren. Der Wettbewerb verlangt nach einer leicht und intuitiv bedienbaren Oberfläche. Denn Schwächen in der Bedienung führen oft dazu, dass der Nutzer zur Konkurrenz abwandert – Alternativen findet der User ohne große Mühe reichlich.
Wichtige Stellschrauben auf Ebene der Benutzeroberfläche
Entscheidende Stellschrauben zur Verbesserung der Usability einer Anwendung finden sich auf der Ebene der Benutzeroberfläche. Zum Beispiel bei der Schriftgröße, den Farben oder der Gestaltung von Layouts und Buttons. Im B2C-Umfeld sind diese Optimierungshebel jedoch vergleichsweise leichter zu bedienen als bei B2B-Software. Denn diese bildet oft komplexe Prozesse ab. Änderungen in der Oberfläche bringen in vielen Fällen tiefe Veränderungen in der Architektur mit sich. Der Aufwand für Verbesserungen ist also ungleich höher. Gleichzeitig sind die Systeme oft über Jahrzehnte gewachsen und Kosten für Effizienz, sowie Funktionalitäten standen im Vordergrund der Entwicklung.
Grenzen für Nutzer verschwinden
In diesem Zusammenhang ist folgende Entwicklung wichtig: Durch Websites, soziale Medien, Apps und Online-Shopping haben heute alle Menschen Berührungspunkte mit Software. Der private und geschäftliche Bereich vermischt sich bei vielen Kunden. Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung im letzten Jahr, wo im Home-Office die Bedienung vieler Business-Tools sich mit privaten Einkäufen, LinkedIn sich mit Instagram direkt abwechselt. Durch dieses unmittelbare Nebeneinander der Anwendung von B2B- und B2C-Applikation und der damit verbundenen User Experiences, steigt auch die Erwartungshaltung. User erwarten im Geschäftsumfeld die gleiche, intuitive Bedienung wie sie diese aus dem privaten Umfeld gewohnt sind. So werden B2C-Anwendungen zur Messlatte für B2B-Software.
Nutzerfreundlichkeit wichtiger denn je
Nicht nur deshalb ist die Nutzerfreundlichkeit heute wichtiger denn je. Gleichzeitig hat die Flut an Informationen für die Nutzer enorm zugenommen und die Geduld, sich in Software einzuarbeiten, abgenommen. Wenn der User wegen mangelhafter Bedienung hängen bleibt, steigt die Frustration exponentiell. Daher ist die einfache Bedienung umso wichtiger, je komplexer das Business-Umfeld ist.
Vereinfachung komplexer Themen
Im B2B-Bereich gibt es für Software naturgemäß komplexe Themen wie Lohnbuchhaltung, Finanzbuchhaltung und Produktion. Hier kann intuitiv bedienbare Software jedoch viel bewegen: Gute Bedienbarkeit spart Zeit und Kosten, weil User schneller ihre Aufgaben erledigen können. Dadurch verbessert sich das Nutzungserlebnis. Dies führt im Weiteren zu einer höheren Anwenderzufriedenheit, die im Cloud-Zeitalter enorm wichtig ist. Denn: Anwender können in der Cloud leichter ihr Produkt wechseln. Gleichzeitig steigt im Cloud-Zeitalter auch die Transparenz bezüglich der zur Verfügung stehenden Angebote. Die Konkurrenz ist dadurch fast so nah wie im Consumer-Bereich und die Usability so wichtig wie noch nie. Daher geht der Trend auch im B2B-Umfeld klar hin zu intuitiv nutzbaren Systemen, die nebenbei auch noch Schulungsaufwand, Test- und Erprobungsphasen entfallen lassen.
Benutzerfreundlichkeit als Herausforderung für Entwickler
Darüber hinaus ist es umso schwieriger, die Benutzerfreundlichkeit aufrecht zu erhalten, je mehr Masken, Menüs und Buttons eine Oberfläche mit sich bringt. Heute sind schon viele Anwender mit der Bedienung des Bordcomputers im Auto überfordert. Kein Wunder also, dass Menüs für B2B-Geschäftsprozesse eine Herausforderung in der benutzerfreundlichen Umsetzung an die Entwickler stellen. Software wurde in den letzten Jahren oft von Entwicklern im Alleingang umgesetzt, die aber weder Anwender noch Spezialisten für Benutzerfreundlichkeit sind. Heute ist aus diesem Grund ein eigener Beruf, der des UX oder User Experience-Designers, entstanden, der sich auf das Thema Software-Ergonomie fokussiert.
Kompetenz in Sachen UX-Design essentiell
UX-Designer wissen, wie eine Maske aussehen muss, damit ein Nutzer ohne Fragen seine Informationen eingeben kann. Sie wissen, wo Buttons zum Klicken stehen müssen, damit es sich natürlich anfühlt, welche Farbe und Beschriftung sie haben sollten und wie das Nutzerverhalten im Allgemeinen charakteristisch ist. Der erste Schritt in Richtung mehr Benutzerfreundlichkeit besteht also darin, sich Kompetenz in Sachen UX-Design im Entwicklerteam zu verankern, sei es intern oder extern. Die Spezialisten stellen sicher, dass die Gestaltung der Oberfläche den Erwartungen des Nutzers möglichst nahekommt.
Trotzdem ist die User Experience immer ein Kompromiss und bei einfachen Apps mit ein paar Funktionen leichter umzusetzen als in einer Finanzbuchhaltungssoftware mit tausenden Funktionen. Auf dem Weg dorthin gibt es aber bewährte Best Practices, die wir Ihnen im zweiten Teil unserer Mini-Serie zur Benutzerfreundlichkeit von B2B-Software vorstellen.