Digitale Transformation

SEPA, GoBD und das ELENA-Desaster: Die schlimmsten Bürokratiehürden

(Bildquelle: Pixelio.de/Tim Reckmann) Es gibt Gesetze, die sind gut. Sie bauen Bürokratie ab, vereinfachen Prozesse, schaffen Klarheit. Und dann gibt es Gesetze, die leider zum Gegenteil führen. Sage als Hersteller kaufmännischer Software bildet diese Neuerungen in der Software ab, damit unsere Kunden gesetzeskonform arbeiten können. Es ist jedes Mal ein Wettlauf mit der Zeit, um sie fristgerecht umzusetzen. Über die größten Hürden berichtet Dr. Thomas Scholtis, CFO von Sage in Deutschland.

Insgesamt sind in der letzten Wahlperiode, die 2013 endete, ganze 553 Gesetze allein im deutschen Bundestag beschlossen worden. Viele davon haben Auswirkungen auf Unternehmen in Deutschland. Und darin eingerechnet sind noch keine EU-Gesetze. Das Problem: Neue Regularien werden teilweise überhastet verabschiedet. Zu spät. Unausgegoren. Zu wenig Beachtung von Erfordernissen bei der Umsetzung. Bestehende Regeln werden oft unnötig geändert.

Gerade zum Jahresende werden viele gesetzliche Neuerungen erlassen, die dann zum Jahresanfang bereit stehen müssen – eine Aufgabe, die häufig nur durch eine hohe Kraftanstrengung und eine Vielzahl an Überstunden durch uns bewältigt werden kann.

Dabei könnte so manche Mehrarbeit durch eine verbesserte Planung und eine optimalere Kommunikation aller am Prozess beteiligter Gruppen – den politischen Gremien, den umsetzenden Behörden und Ämtern, den beteiligten Softwareherstellern sowie den anwendenden Unternehmern selbst – vermieden werden. Allzu häufig jedoch werden Vorgaben beschlossen, die einer gründlicheren Prüfung hätten unterzogen werden müssen.

„Entschleunigung“ wünschenswert

Während Bürokratie laut unserer Studie 44 Prozent der Unternehmen für erheblich verlangsamte Prozesse sorgt, und in jedem dritten Unternehmen (30 Prozent) sogar schon zum kompletten Stopp von Projekten geführt hat, sind die Probleme der deutschen Softwarehersteller eher anderes gelagert: Hier wäre tatsächlich so manches Mal eine „Entschleunigung“ der Gesetzgebung zielführender, um die Qualität des Ergebnisses zu steigern.

Entscheidungen über neue Gesetze werden oftmals zu plötzlich und zu schnell getroffen, ohne den beteiligten Parteien ausreichend Zeit zu Konsultationen zu bieten und wirklich alle betroffenen Parteien zu Rate zu ziehen. Eine Prüfung der Praxistauglichkeit findet meist nicht statt: Häufige Überarbeitungen und mangelnde Umsetzungen sind dann die Folge. Drei Beispiele.

Das ELENA-Desaster

Geradezu ein Desaster war etwa das ELENA-Verfahren. Ab Januar 2010 wurden die Arbeitgeber verpflichtet, monatlich für alle Beschäftigten Datensätze an die Agentur für Arbeit und weitere Stellen zu liefern. Trotz Bedenken von Seiten der Behörden und der Arbeitgeber, was den Datenschutz betraf, wurde ELENA beschlossen und sollte in Kraft treten.

Die Umsetzung eines komplett neuen Meldeverfahrens verursachte erwartungsgemäß bei den Softwareherstellern erheblichen Aufwand. Erschwerend kam hinzu, dass auch die Arbeitgeber deutlich mehr Daten im Abrechnungssystem hinterlegen mussten als bisher und der Aufwand somit anstieg.

Im Dezember 2011 kam dann schon wieder das Aus für ELENA. Der Grund waren in diesem Fall die datenschutzrechtlichen Argumente, die man bereits vor der verpflichtenden Einführung dieses aufwändigen Verfahrens hätte behandeln müssen. Für uns bedeutete dies erneut Umsetzungsaufwand – diesmal nur rückwärts. Neben der Entfernung von Feldern und Routinen mussten Prüfungen wieder gelockert und Auswertungen angepasst werden.

Auch bei SEPA: Hektischer Aktionismus statt Qualitätsarbeit

Ähnlich lief es bei der Einführung des SEPA-Verfahren (SEPA steht für Single Euro Payments Area, also den einheitlichen europäischen Zahlungsraum). Erst nach zahlreichen Hinweisen aus der Wirtschaft, von Banken und Unternehmen, wurde nachgebessert.

Auch wir hatten uns damals im Rahmen unserer Mitgliedschaft im Branchenverbandes BITKOM engagiert und mehrmals im Blog berichtet. So kam es dazu, dass nach der Einführung nochmals Fristen verschoben wurden, weil man erst spät erkannte, dass die Unternehmen enorme Schwierigkeiten bei der Umsetzung hatten. Viele sahen erst sehr spät, welch weitreichende Folgen die Umstellung des Zahlungsverkehrs haben würde. Heute ist sind diese Erfahrungen vergessen. Doch SEPA war eine sehr schwere Geburt für die meisten Unternehmer.

Sechs Wochen Zeit für die GoBD

Ein aktuelles Beispiel sind auch die Änderungen der Grundsätze zur ordnungsgemäßen Buchung (GoBD). Zwar gelten sie seit Anfang des Jahres, wurde aber bislang kaum von einem Unternehmen umgesetzt, da es im Markt mit wenigen Ausnahmen auch kaum praxistaugliche Lösungen gibt. Die Herausforderung für uns bestand etwa darin, das am 14.11.2014 veröffentlicht Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) sehr kurzfristig bereits zum 1.1.2015 in unserer Produktplanung umzusetzen.

Fakt ist, dass viele professionelle Software-Lösungen im deutschen Markt noch immer nicht GoBD-konform sind. Die neuen, verschärften Vorgaben, die festlegen wie Buchungen und Archivierungen zu handhaben und welches Vorgehen bei der Verfahrensdokumentation zu berücksichtigen sind, scheinen noch längst nicht zu allen Unternehmen durchgedrungen zu sein. Wer sich also noch nicht mit den neuen Grundsätzen vertraut gemacht hat, sollte dies schnellst möglich tun.

Mehr Zeit für die Umsetzung

Wir würden uns wünschen, dass die Praxistauglichkeit neuer Verordnungen künftig vor Verabschiedung eines Gesetzes geprüft wird. Auch mehr Zeit für die Einführung von Neuerungen würde helfen, dass Unternehmen und Software-Hersteller sich besser auf die neuen Prozesse einstellen können. Eine Utopie? Was denken Sie?

Von Dr. Thomas Scholtis