Fachkräftemangel in Deutschland: Generation Z im Goldrausch?
Der akute Fachkräftemangel treibt die Gehälter in die Höhe und die Generation Z profitiert. Doch auch sie wünscht sich mehr als das. Bessere Rahmenbedingungen kämen allen zugute.
Das Thema Fachkräftemangel ist nicht neu, hat aber im Jahr 2022 einen neuen Höhepunkt erreicht. Rein rechnerisch konnten letztes Jahr laut einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bundesweit mehr als 630.000 Stellen nicht besetzt werden, weil es keine geeigneten Bewerber gab. Das betraf sowohl die Bereiche Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung als auch den Bausektor, inklusive Architektur und Gebäudetechnik, die Sparten Naturwissenschaft, Geografie und Informatik sowie die Bereiche Dienstleistungen, Handel, Vertrieb und Gastronomie. Also alle.
Bei großer Nachfrage und wenig Angebot schießen die Preise bekanntlich in die Höhe. In diesem Fall betrifft das die Gehaltsvorstellungen der potenziellen Bewerber. Laut Businessinsider gaben gemäß einer Umfrage unter 539 Personen mit Entscheidungsbefugnis, die das Jobportal Indeed letztes Jahr beauftragte, 66 Prozent der befragten Manager an, aktuell höhere Gehaltsforderungen von Bewerbern zu erhalten und 45 Prozent der Umfrageteilnehmer bestätigten, Personal zu einem höherem Einstiegsgehalt einzustellen, als das zuvor üblich war.
Damit beflügelt der Fachkräftemangel auch den Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen. So gaben 40 Prozent der befragten Entscheidungsträger an, Gehaltserhöhungen von bis zu zehn Prozent anzubieten, um bei einem Konkurrenzangebot die Fachkraft im Unternehmen zu halten, und 20 Prozent der Umfrageteilnehmer wären sogar bereit, diese Spanne zu verdoppeln.
Member Masterclass: Entfesseln Sie das volle Potenzial der Gen Z
Warum sind manche Unternehmen erfolgreicher als andere und welche Rolle spielt die junge Generation dabei?
Gen Z Expertin Laura Bornmann gibt Antworten und Tipps.
Gen Z nutzt den Fachkräftemangel und erobert selbstbewusst den Arbeitsmarkt – immer höher, immer weiter
Dabei muss man sich klar machen, dass gerade eine neue Generation den Arbeitsmarkt erobert: Die sogenannte Generation Z (Gen Z), die in etwa die Geburtsjahrgänge 1995 bis 2010 umfasst, und derzeit frisch aus dem Studium oder der Ausbildung kommt, wird den Bewerberpool zunehmend prägen – und von der aktuellen Situation profitieren.
So machen sich laut einer von Forsa durchgeführten Studie für das Online-Netzwerk Xing 65% der Befragten wegen des Fachkräftemangels keine Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Wird das Gehalt als zu niedrig oder auch das Stresslevel als zu hoch empfunden, ist diese Generation jederzeit offen für einen Jobwechsel. „Diese Generation ist nicht gekommen, um lange bei einem Arbeitgeber zu bleiben“, bestätigt der Arbeitsmarktexperte Julian Stahl im Zusammenhang mit der durchgeführten Studie.
Das Gehalt der wichtigste Motivationsfaktor dieser Generation ist, zeigt auch die Studie „Jugend in Deutschland“ mit ihren neuesten Erhebungen auf. Die Rückmeldung der befragten Teilnehmer, die zwischen 14 und 29 Jahren sind, zeigt, dass Krieg und Inflation dazu beigetragen haben, dass die eigene finanzielle Absicherung nochmal an Bedeutung gewonnen hat.
Doch Geld ist nicht alles – auch nicht für Gen Z
Die gute Nachricht für alle Personalverantwortlichen: Auch wenn bedingt durch den akuten Fachkräftemangel zunehmend höhere Gehaltsforderungen im Raum stehen, so gibt es doch Mittel und Wege, Bewerbern inklusive der Gen Z auf anderen Ebenen entgegenzukommen und völlig überzogenen Gehaltsvorstellungen die Luft aus den Segeln zu nehmen. Das ist auch notwendig, denn nicht jedes Unternehmen kann es sich leisten, seine Personalausgaben in großem Maße zu erhöhen – zumal größere Sprünge in den Personalkosten mittelfristig auf die angebotenen Produkte und Dienstleistungen umgelegt werden müssen und die Lohn-/Preisspirale damit weiter angetrieben wird.
Außerdem darf man bei alledem auch die älteren Mitarbeiter nicht ganz aus dem Blick verlieren. Wenn der Eindruck entsteht, dass die Jüngeren mehr Geld für weniger Leistung erhalten, sinkt auch die Motivation der Älteren und treibt sie in die Frühverrentung, was den Fachkräftemangel zusätzlich verschärft. Was also kann man tun?
Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder “Workation”, also das (vorübergehende) Ausüben der eigenen Tätigkeit von einem Urlaubsort aus, sind beliebte Benefits, mit denen Unternehmen nicht nur die jüngeren Arbeitnehmer überzeugen können. Der Wunsch vieler junger Arbeitnehmer nach einer guten Arbeitsatmosphäre, die von Respekt und Wertschätzung geprägt ist und einem guten Zusammenhalt im Team wird sicher auch von älteren Mitarbeitern zu schätzen gewusst.
Fachkräftemangel – wie der Mittelstand punkten kann
In dieser Situation kann insbesondere der Mittelstand mit seinen besonderen Eigenschaften punkten. Das persönlichere Umfeld in mittelständischen Betrieben kann dazu beitragen, dass gerade den jungen Menschen nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch ein soziales Umfeld geboten wird, das in schwierigen Zeiten Orientierung und Zusammenhalt bietet. Individuelle Absprachen sind in kleineren Betrieben ebenfalls einfacher als in großen, stark strukturierten und formalisierten Unternehmen, und das Verständnis dafür, dass der eigene Beitrag etwas zählt, kann in einem mittelständischen Umfeld wesentlich leichter gefördert und veranschaulicht werden.
Aufgabe der Politik – Die Rahmenbedingungen im Zuge des Fachkräftemangel zu verbessern
Das allein wird aber nicht helfen, dem Fachkräftemangel dauerhaft und flächendeckend zu begegnen. Hier ist auch die Politik aufgefordert, für insgesamt bessere Rahmenbedingungen zu sorgen. Wie dem DIHK Fachkräftereport 2022 zu entnehmen ist, stehen dabei drei Punkte ganz oben auf der Wunschliste der Betriebe im Kampf gegen den Fachkräftemangel: Bürokratie abbauen (52%), berufliche Bildung stärken (46%) und die Anwerbung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte erleichtern (35%). Hinzu kommen der Wunsch nach einer besseren Qualifizierung und Vermittlung von Arbeitslosen (31%), der Stärkung der Regionen, um sie für Beschäftigte attraktiver zu machen (24%), sowie dem Ausbau von Betreuungsangeboten für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (20%).
Letztendlich sind alle aufgefordert, die aktuellen Herausforderungen inklusive der neuen Denkweisen nachfolgender Generationen als Chance zu begreifen, um Arbeit und gesellschaftliche Entwicklung für alle in Einklang zu bringen. Denn auch wenn die Gen Z auf ihre Weise agiert – sie ist unsere Zukunft!
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